Was ist Commedia?

 

Der Name

Das Wort “Commedia” bedeutet nicht, wie man vielleicht denken würde, eindeutig “Komödie”. Vielmehr bedeutet es “Schauspiel”, “dell’ arte” heißt “der Kunst”. Der Begriff “Commedia dell’ arte” bedeutet also “Schauspiel der Kunst”, “Schauspielkunst” oder beschreibt diese Theaterform als Schauspielhandwerk. Dies ist wichtig, da es in der Renaissance und dem Barock hauptsächlich Laienschauspieler gab. Damit, dass fahrende Darsteller Commedia dell’ arte zeigten gaben sie sich als gelernte Berufsschauspieler zu erkennen, die mit den Theateraufführungen ihren Lebensunterhalt verdienten.


Die Theaterform

Die Commedia dell’ arte ist italienisches Volkstheater, ihr wichtigstes Stilmittel sind die Charaktermasken ihrer Figuren.
Die Stücke der Commedia sind immer Komödien und haben stets ein gutes Ende.
In früheren Zeiten war die Commedia aber vor allem Stegreiftheater, die Handlung eines Stückes war zwar vorgegeben, doch innerhalb dieser Angaben improvisierten die Schauspieler im Rahmen ihrer Figuren den Ablauf der Szenen zum gewünschten Ende. Zwar entstanden später etliche Theaterstücke im Stil der Commedia dell’ arte, doch von den Stücken, wie sie auf den Bühnen der fahrenden Schauspieler zu sehen waren sind heute im besten Fall nur Zettel mit Szenenabläufen übrig geblieben.
Ein wichtiger Bestandteil der Commedia ist der Lazzo, eine “Witzelei”. Neben und auch in den Szenen wurden Lazzi gezeigt, kleine humoristische, meist auch mit Slapstick oder Akrobatik angereicherte Einlagen. Jede Figur besaß ihre ureigenen Lazzi, die ihr alleine vorbehalten waren und die sie nicht nur nutzen konnte um zu amüsieren, sondern auch um ihren Charakter zu verdeutlichen. So war ein persönlicher Lazzo der Figur Pantalone zum Beispiel, dass er auf einer Bank einer neben ihm sitzenden Frau, die immer weiter von ihm fortrutschte, so lange nachrückte, bis sie aufstand und er selbst aber von der Bank plumpste.
Oftmals wurde Commedia dell’ arte auch mit Gesang und Tanz angereichert.


Die Masken
Manch einer meint vielleicht, die Schauspieler der Commedia würden die Masken tragen um ihr Gesicht zu verbergen oder um besonders witzig zu wirken. Dies ist aber nicht der Fall, denn die Maske besitzt in dieser Theaterform nicht nur Tradition, sondern auch eine Psychologie. In der Commedia dell’ arte werden nämlich in sich geschloßene, mit bestimmten Eigenschaften ausgestatette Charaktere dargestellt. Und jede Maske bezeichnet den Charakter der Figur selbst, den sich der Schauspieler auf das Gesicht setzt um eben diese Figur werden zu können. Weiß man in den Zügen der Maske zu lesen, erkennt man leicht die Grundlagen ihres unabänderlichen Charakters, zum Beispiel: In den hochgezogenen Augenbrauen des Arlecchino sind seine immer weit aufgerissenen, aufmerksamen Augen zu erkennen, die seine energetische Lebendigkeit verraten. An seinen gehobenen Wangen ist ihm sein stetiges Lachen und seine Fröhlichkeit anzusehen. An der in Falten gelegten Stirn des Pantalone erkennt man dessen Alter und immerwährenden Sorgen. Der Charakter steht also jeder Maske nahezu wörtlich ins Gesicht geschrieben, sodass man gleich erkennen kann, was für einer Sorte Mensch man da vor sich hat.
Überdies sorgt die Maske dadurch, dass der Schauspieler durch sie auf seine Mimik verzichten muss dafür, dass er sich stärker seiner Gestik und Körpersprache bedient. So kann er die Körperlichkeit der Figur besser erfassen und sie zudem intensivieren, denn da die Figuren der Commedia abstrakt, kunstvoll und meist auch Parodien sind bedürfen sie der Überzeichnung und Übertreibung.
Die Maske stellt einen Charakter, eine Person dar und muss deshalb mit Respekt behandelt werden. Man sollte sie ebensowenig mit dem Gesicht nach unten auf den Boden legen, wie man dies mit einem Mitspieler tun würde.
Natürlich sorgte die Maske schon in früheren Zeiten für heftige Debatten bei Theatertheoretikern, viele bemängelten die Unmöglichkeit der Mimik und in heutiger Zeit wird die durch sie erzielte, verstärkte Körperlichkeit von vielen Leuten als schlicht klamaukig abgetan.


Die Geschichte der Commedia dell’ arte
Schon in der Antike gab es das römische Volkstheater, “Mimus” genannt, bei welchem die Schauspieler stark geschminkt auftraten und improvisierte, derbe Komödien an öffentlichen Plätzen zum Besten gaben. Zweifellos hat die Commedia einiges aus dem Mimus übernommen.
Die Commedia dell’ arte selbst entstand aber im Italien des 16. Jahrhunderts, wie genau ist bis heute nicht restlos geklärt. Es ist ziemlich sicher, dass sie sich aus dem Karnevalstreiben und Maskenzügen entwickelt hat, die wohl den Perchtenläufen des benachbarten Alpenraumes nicht unähnlich waren. Doch während die Perchten ihren mythologischen Charakter behielten, entwickelte sich das italienische Fastnachtstreiben in eine volksnahe, eine verdrehte Wirklichkeit darstellende Form aus der sich mit der Zeit die Commedia dell’ arte mit ihren Masken und Figuren herauskristallisierte.
Die Commedia erlebte ihre Hochzeit im 17. Jahrhundert, verschwand im Laufe des 18. Jahrhunderts von den Bühnen und für lange Zeit aus dem Bewusstsein der Menschen. Durch die Epochen der Renaissance und des Barocks hindurch wusste diese Theaterform das Volk ebenso wie Könige zu erfreuen, doch als in der Zeit der Aufklärung ein großes Umdenken stattfand kam der Niedergang der Commedia.
Von Italien aus zogen fahrende Schauspieltruppen umher und machten die Commedia dell’ arte in ganz Europa bekannt. Es ist wichtig zu erwähnen, dass damals hauptsächlich von Laien Theater in Schulen oder Akademien gespielt wurde, Schauspielhäuser wie wir sie heute kennen gab es damals nicht, schon gar nicht für ein nicht adliges Publikum. Neben den Mitgliedern der wandernden Spielgruppen der Commedia dell’ arte waren die aus England kommende Schauspieltruppen – welche die Stücke Shakespeares auf dem Festland bekannt machten – die einzigen wirklich ausgebildeten, professionellen Schauspieler. Natürlich kam es vor, dass sie ihr Wissen an Einheimische weitergaben oder diese ausbildeten, sodass im Laufe der Zeit Theatergruppen aller Nationen entstehen konnten.
Solche Gruppen bestanden meist aus richtigen Schauspielerfamilien, bei den Darstellern der Commedia war es üblich, dass ein Kind nicht nur die Rolle, sondern auch Kostüm und Requisiten der Eltern erbte. Die fahrenden Leute zeigten die Commedia dell’ arte an öffentlichen, viel besuchten Orten auf ausklappbaren Bühnen für das Volk, welches an den komödiantischen, aus dem Alltag gegriffenen und zuweilen obszönen Stücken seine helle Freude fand. Der Zuspruch des Publikums war wichtig, da die Darsteller von Spenden lebten. Wenn die Schauspieler es sehr gut trafen, so konnten sie die Gunst eines Adligen oder gar eines Königs gewinnen, der sie dann für eine gewisse Zeit an seinen Hof kommen ließ, was einen zuverlässigen Lohn und Verpflegung versprach.
Außerdem fungierten die umherziehenden Schauspieler oft als Verbreiter von neuen Nachrichten oder Skandalen, indem sie sie in ihre Stücke einbauten und so von Ort zu Ort trugen. – Sehr praktisch in einer Zeit, als es noch keine Zeitung gab.
Die Commedia dell’ arte inspirierte zahlreiche Autoren, so zum Beispiel Carlo Goldoni und Carlo Gozzi in Italien, in Frankreich wurde Molière von ihr zu vielen seiner berühmten Charakterkomödien angeregt.
Da sehr viele Commedia dell’ arte spielende Gruppen umherzogen, die einander nur selten oder sogar nie trafen, konnten sie sich nie über die Figuren absprechen. So entwickelten sich die Masken, Figuren und deren Namen von Schauspielgruppe zu Schauspielgruppe oder auch je nach Region sehr unterschiedlich. Es gab beispielsweise sogar Gruppen in denen die Figur der Colombina maskiert und im Rautenkostüm, also im Partnerlook mit Arlecchino, auftrat und Arlecchina genannt wurde. Diese Variante der Colombina wird heute nicht mehr gespielt.
Als ein unumstrittenes Zentrum der Entwicklung der Commedia dell’ arte galt Venedig.
Im 18. Jarhundert gab es viele gesellschaftliche Umbrüche, zwei davon waren wohl maßgeblich für das Verschwinden der Commedia. Zum einen wandelte sich das Bewusstsein des Volkes, der kleinen Bürger. Die Könige und der Adel – kurz, die herrschende Klasse – wurden immer stärker als Unterdrücker angesehen. In Frankreich führten diese neuen Ansichten zum Ausbruch der französischen Revolution. Andernorts beanspruchte das Volk jetzt gehobene Kultur und Bildung für sich um  diese ungerechte Kluft etwas zu vermindern. Nun, im aufkommenden Zeitalter der Vernunft, sollte auch das Theater moralisierend, erbauend und belehrend sein… Alles Faktoren, welche die von Albernheit und Frivolität geprägte Commedia dell’ arte nicht erfüllte und darum immer mehr als verpönt galt. Ein weiterer Grund für den Verfall der Commedia war zweifelos das Bemühen von Schauspielern, ihren gesellschaftlichen Status zu verbessern. Dazu muss man wissen, dass Schauspieler zu damaligen Zeit ein sehr schweres Leben hatten: Als fahrenden, nicht sesshaften Leuten wurde ihnen allgemein viel Misstrauen entgegengebracht, man sagte ihnen häufig Kriminalität nach und da sie stets unterwegs waren, sahen sie sich vielen Gefahren ausgesetzt. Außerdem galt der Beruf des Schauspielers als unehrenhaft, sie durften nicht innerhalb von Stadtmauern übernachten und wurden nicht in geweihter Erde bestattet. – So folgten viele Schauspielgruppen dem neuen Zeitgeist und wollten fortan ernsthafte Kunst machen. Ein sehr anschauliches Beispiel dafür ist, dass die Spieltruppe um die Schauspielerin Caroline Neuber ihrerzeit eine lebensgroße Puppe des Hans Wurst – eine von Arlecchino inspirierte Spaßmacherfigur – öffentlich verbrannte um sich fortan von schlichter Komik und derbem Witz im Stil der Commedia zu distanzieren und um als ernstzunehmende Künstler und Menschen wahrgenommen zu werden.
Tatsächlich wurden die Schauspieler mit der Zeit sesshaft, die ersten Theaterhäuser in Städten wurden für Bürger eröffnet. Mit den fahrenden Spielleuten verschwand nun auch die Commedia dell’ arte und für über ein Jahrhundert war sie nahezu vergessen.
Erst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhundert befasste man sich wieder wirklich mit der Commedia. Der russische Schauspieler und Theoretiker Meyerhold entdeckte sie für sein Körpertheater wieder und in den jetzt aufkommenden Stummfilmen griffen die Darsteller – die zwar nicht auf ihre Mimik, wohl aber auf ihre Sprache verzichten mussten – häufig für Komödien auf Lazzi aus der Commedia zurück.
Inzwischen gibt es wieder etliche Schauspielgruppen, welche die Commedia dell’ arte spielen und sie so wiederbeleben.