Die Figuren

Die Figuren der Commedia dell’ arte

Von den zahlreichen Figuren und Masken der Commedia dell’ arte wollen wir hier jene vorstellen, die wir auf der Bühne darstellen.


Die Zanni

Die erste und bekannteste Figurengruppe der Commedia dell’ arte sind die Zanni, die Dienstboten. Sie entstammen meist bäuerlichen oder einfachen bürgerlichen Verhältnissen und sind die Diener der Vecchi und Innamorati. Die Zanni sind – im Gegensatz zu ihren Herrschaften – unkompliziert, bodenständig, gewitzt und haben recht schlichte Bedürfnisse. Oft sind die Diener auf ihren Vorteil aus, oft aber auch hilfsbereit. Doch in jedem Fall überschauen sie die Situation meist besser als ihr reicher Arbeitgeber, der im gleichen Maße Ziel ihres Spottes wie der Verteiler von Schlägen werden kann. Gewöhnlich sind es die Dienstboten, die mit Witz und Intrige das Theaterstück zu einem guten Ende bringen.


Arlecchino

“Tra’ ti avante, Alichino, e Calcabrina”,        “Auf, ihr Gesellen, jetzt, euch frisch zu rühren!
cominciò elli a dire, “e tu, Cagnazzo;                Eistreter, Senkflug, Bluthund, kommt heran,
e Barbariccia guidi la decina.”                            Du, Sträubebart, sollst alle Zehen führen.”
(…)                                                                             (…)
“Omè, maestro, che è quel ch’i’ veggio?”,        „Ach, guter Meister,“ rief ich, „welch’ Geleit?
diss’io, “deh, sanza scorta andianci soli,          Ich, meinerseits, ich will es gern entbehren,
se tu sa’ ir; ch’i’ per me non la cheggio.            Und bin mit dir allein zu gehn bereit.
Se tu se’ sì accorto come suoli,                           Sieh nur, wie sie vor Grimm im Innern gähren,
non vedi tu ch’e’ digrignan li denti                    Wie sie die Zähne fletschen und mit Drohn
e con le ciglia ne minaccian duoli?”.                 Nach uns die tief gezognen Brauen kehren.“

Auszug aus dem 21. Gesang der Göttlichen Komödie
von Dante Alighieri (1321)

An Arlecchinos Ursprung als strafender Dämon in der Pechhölle erinnert nur noch die Beule an seiner Stirn, die wohl einst ein Teufelshorn war. Selbst den Holzstock, den er trägt, nutzt er kaum noch um Schläge auszuteilen. Vielmehr ist er es, der Prügel einstecken muss.
Denn Arlecchino ist ein liebenswerter, naiver und energetischer Bursche, allerdings ist er als Diener oft nachlässig. Sein Handeln wird vorrangig von seinen Trieben, vor allem von seinem immerwährenden Hunger bestimmt. Anstatt Arbeiten für seinen Herrn zu erledigen macht er viel lieber seine Späße, schlägt sich den Bauch voll oder läuft dem Rock der Zofe Colombina hinterher. Zumal besitzt Arlecchino keinerlei Intelligenz, dafür aber umso mehr Bauernschläue und darf stets sagen was er denkt, denn er besitzt als Spaßmacher die Narrenfreiheit.
Diese Eigenschaften machen Arlecchino bis heute zur bekanntesten und beliebtesten Maske der Commedia dell’ arte. In der Vergangenheit
inspirierte er zu allerlei komödiantischen Bühnenfiguren, darunter auch zum seinerzeit populären Hans Wurst. Arlecchinos berühmteste Nachfahren sind allerdings im Puppentheater zu finden: Das deutsche Kasperle, der französische Guignol und der englische Mr Punch.


Colombina

Colombina bedeutet “Täubchen” und sie macht diesem Namen alle Ehre. Denn ihre kokette Art macht sie zum Blickfang für so manchen
Mann und sie weiß in einer misslichen Lage ihr Dekollete geschickt zur Ablenkung zu nutzen. Im Haushalt eines reichen Herrn ist Colombina meist eine Dienstbotin, Köchin, Zofe oder ein Kammermädchen und ist zudem häufig die
Vertraute der von ihr bedienten Tochter. Doch Situationen, welche die feinen Damen in Ohnmacht oder Verzweiflung stürzen lassen, pflegt die temperamentvolle Dienerin resolut zu meistern. Die neugierige und gewitzte Colombina spielt vor dem Diener Arlecchinio gerne das scheue Mädchen, doch tut sie dies nur um ihn zu reizen… Insgeheim hat sie schon längst ein Auge auf ihn geworfen.
In der Commedia dell’ arte sind diese beiden Zanni tief verbunden, Colombina gilt als weibliches Gegenstück zu Arlecchino, tritt im Gegensatz zu ihm aber unmaskiert auf.


Brighella

Die Geschichte des Brighella ist wohl ebenso dunkel wie seine Maske. Denn über die Zeit machte dieser Zanni etliche Wandlungen durch.
Ursprünglich galt er als der schlauste, hinterlistigste unter den Dienern, belog und betrog seinen Herrn um an sein Ziel zu kommen. Oft schaffte es der gerissene Brighella gar dank einer durchdachten Intrige andere unwissentlich zu seinem Vorteil arbeiten zu lassen. Das Messer an seiner Taille kennzeichnete ihn als angriffsbereit und gewillt, anderen Leuten den Geldbeutel vom Gürtel zu schneiden. Später taucht Brighella jedoch als überaus ehrlicher und hilfsbereiter Zanni auf, manchmal sogar – wie in unserer Darstellung – als gutmütiger, ehemaliger Diener, der nun ein eigenes Gasthaus hat und Wirt geworden ist.
Was aus dieser Maske wurde ist unbekannt. Erwiesen ist, dass sie, als die Commedia dell’ arte von den Bühnen verschwand, schon nicht mehr in den Theaterstücken auftauchte. Wo Brighella geblieben ist? Er hat möglicherweise die Verwandlung in eine andere Figur erlebt…



Die Vecchi 

Bei den Vecchi ist der Name Programm, denn er bedeutet “die Alten”. Die Vertreter dieser
Figurengruppe stellen die älteren, wohlhabenden
und gut eingesessenen Bürger der Oberschicht dar. Gerne wollen sie sich weiter bereichern, ihre Kinder vorteilhaft vermählen oder selbst frivolerweise eine wesentlich jüngere Person heiraten. Mit ihrem Vorhaben pflegen sie aber meist das Glück eines Liebespaares zu stören,
weshalb ihre Pläne dann dringend durchkreuzt werden müssen. Nur selten gelangt ein Vecchi zur Einsicht, gewöhnlich muss er sich eher widerwillig in die für ihn ärgerliche Situation fügen. Zwar sind die Alten ihren Dienern gegenüber gerne gebieterisch und mit Prügel nicht zimperlich. Dennoch bemerken sie oft nicht, wenn die Zanni sich einen Spass mit ihnen erlauben oder sie an ihren Schwächen wie Gier, Lüsternheit oder Geiz packen und sie so überlisten können.


Pantalone

Ob sich der Name des venezianischen Kaufmanns von “Panthera Leone”, dem Löwen oder von “Pantaloni”, den für ihn typischen engen, roten Hose ableitet ist ungeklärt.
Was jedoch klar feststeht ist Pantalones Charakter: Er ist ebenso reich wie gierig nach noch mehr Geld, nicht minder geizig, stur und hat nahezu immer Grund zur Klage. Pantalone ist überdies nicht mehr der Jüngste und hat darum zuweilen gesundheitliche Probleme. Der ältliche, meist verwitwete Herr pflegt sich außerdem gelegentlich auf Freiersfüße zu begeben – sein Alter tut seiner Lüsternheit zwar keinen Abbruch, macht deren Ausübung aber unmöglich – doch bleibt er bei seinen amourösen Abenteuern stets als geprellter Liebhaber zurück.
Obgleich dieser Vecchi zwar schwierig, aber im Grunde nicht wirklich böse ist, so haben seine Pläne meistens einen störenden Charakter für andere. Zum Beispiel wenn er seine Kinder mit jemandem verheiraten will den sie nicht lieben; wenn er eine Frau für sich beansprucht, die einen anderen, jüngeren Mann begehrt; wenn er zu ungnädig mit seinen Dienern umspringt oder wenn er gerade irgendeinen anderen Spleen hat. Doch kann er glücklicherweise immer durch die amüsanten Ränke seiner Dienstboten übertölpelt oder zum Umdenken bewegt werden.


Il Dottore

Dottore “der Doktor” ist ein älterer, wohlhabender, häufig verwitweter Arzt. Im Grunde ist er von gutem Gemüt, stellt sich aber oft mit seinen Plänen gegen die Wünsche anderer, ähnlich wie Pantalone, mit dem er entweder befreundet oder verfeindet ist. Als studierter Akademiker besitzt Dottore viel verschiedenes Wissen und kennt lateinische Sprüche, die er wirr in seine Reden einbaut um möglichst gebildet zu wirken, aber meistens hört der Zuhörer gerade auf diese Weise gut heraus, dass es einen Unterschied zwischen Wissen und Intelligenz geben kann – wie zuweilen bei diesem Vecchi. Egal, ob er als fähiger Arzt oder Scharlatan dargestellt wird, Dottore ist stets behäbig, etwas gemütlich und an seinem runden Bauch sieht man ihm seine Vorliebe für gutes Essen und Trinken an.


072Die Innamorati

Die Innamorati oder auch Amorosi “die Verliebten” ist die Figurengruppe, die in der Commedia dell’ arte für die Romantik sorgt. Es sind
junge Männer und Frauen, die – fernab von plumper Lüsternheit oder dem Streben nach materiellem Gewinn – voller Sehnsucht und
bedingungslos
verliebt sind. Schwierig wird das ganze meist dadurch, dass sich die Vecchi
dieser Liebe in den Weg stellen, Eifersucht für Differenzen sorgt oder ein Innamorati ganz schlichtweg den Mund nicht aufbekommt um seine Zuneigung zu gestehen, sodass die Verliebten die Hilfe ihrer Diener benötigen. Der Charakter dieser mit feinen Manieren ausgestatteten und stets aus gehobenen bürgerlichen Kreisen stammenden Liebenden – oft sind sie die Kinder der Vecchi – ist je nach Theaterstück unterschiedlich: Mal sind sie leidenschaftlich, mal zärtlich, dann wieder temperamentvoll oder auch schüchtern, fröhlich oder melancholisch, schwärmerisch oder voller Tatendrang, vor allem aber sind sie meist schmachtend bis zur Unerträglichkeit. Auch die Namen der Innamorati wechseln stetig, Liebhaber werden zum Beispiel oft Valerio, Ottavio oder Florindo genannt, Liebhaberinnen heißen häufig Beatrice, Clarice oder Rosaura. Diese Figuren werden immer ohne Masken gespielt und waren früher stets nach der neuesten Mode gekleidet.


Il Capitano

Schon in den Werken des römischen Komödiendichters Plautus findet sich der Miles Gloriosus, der prahlerische Soldat. Am Charakter des Capitano hat sich also seit der Antike wenig geändert. Er ist ein hochmütiger Aufschneider, der großspurig von seinen Heldentaten und seinem Mut erzählt, in Wahrheit aber ein ausgemachter Feigling und Jammerlappen ist. Zuweilen hat er sogar Angst vor seinem eigenen Schwert, wenn er es sich nicht sogar ungeschickterweise auf die eigene Nase schlägt. Gerne lässt er sich Honig um den Bart schmieren, erliegt Schmeichelei oder geht darauf ein wenn man ihn in seinem Selbstmitleid bestärkt. Sollte er in seinem Stolz gekränkt werden versucht sich Capitano stets zu rächen, ob durch Hinterlist oder mit Grausamkeit, das ist wechselhaft.
Tatsächlich steht dieser angeberische Soldat unter den Figuren der Commedia dell’ arte als ziemlicher Außenseiter da. Denn er wird weder zu den Zanni noch zu den Vecchi gezählt und selbst den Innamorati wird er nur zugeordnet wenn er sich einmal um die Gunst einer jungen Dame bemüht.